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Zusammenfassung eines GesprÄchs von Birgit Morgenrath mit den Menschenrechts-Aktivistinnen Jaqueline Moudeïna und Delphine Djiraibe

 

TSCHAD:
Menschenrechtler fordern eine Neuausrichtung der EUFOR Truppen

Anfang 2008 wurde im Osten des Tschad Soldaten der EUFOR-Truppe stationiert.
Sie umfasste damals 3 700 Soldaten aus Frankreich, Polen, Irland, Schweden und Österreich. Nach dem Putschversuch dreier Rebellentruppen gegen Präsident Idriss Déby Anfang Februar forderten die beiden bekannten Menschenrechts-Aktivistinnen Jaqueline Moudeïna und Delphine Djiraibe eine Neuausrichtung der europäischen Militärmission.

Die Lage im Tschad sei nach dem gewaltsamen Putschversuch Anfang Februar wieder »ruhig«, heißt es in vielen Medien. Dies sei nicht der Fall, betont Jaqueline Moudeïna, die 2001 bei einem friedlichen Protest gegen die manipulierten Wahlen von einer Granate der Sicherheitskräfte schwer verletzt wurde. Unter dem von Machthaber Idriss Déby ausgerufenen Ausnahmezustand geschähen viele Menschenrechtsverletzungen: Freiheitsberaubung, willkürliche Verhaftungen, Vergewaltigungen, Plünderungen – und keiner könne dagegen ein Gericht anrufen. Durch die Pressezensur seien sämtliche Medien mundtot gemacht. Einige private unabhängige Zeitungen und Medien haben ihre Erscheinen aus Protest eingestellt. »Die gesamte Bevölkerung ist quasi in Haft genommen.« Keiner der geflohenen Journalisten, Anwälte und Oppositionspolitiker habe es bisher gewagt, in den Tschad zurückzukehren. Auch im bislang verschonten Süden des Landes greife die Angst um sich. Menschenrechtler seien zeitweise »verschwunden« und von einem fehle bis heute jede Spur.

Die EUFOR sei der gegenwärtigen Situation nicht gewachsen. Ein französischer Soldat sei ja bereits getötet worden. »Das zeigt die Komplexität der Lage und wir haben uns schon vorher gefragt: Was wird die EUFOR tun – wenn sie zwischen den feindlichen Lagern – tschadische Armee, tschadische Rebellen, möglicherweise auch sudanesische Milizen – eingekesselt ist? Wenn sie eingreift, nimmt sie Partei gegen eine andere Partei und verliert ihre Glaubwürdigkeit,« gibt Jaqueline Moudeïna zu bedenken.

Auch die vom französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy kürzlich angekündigte Untersuchung über das Verschwinden von Oppositionellen durch eine Kommission betrachten die beiden Tschaderinnen mit großer Skepsis.

Frankreich ist nicht nur ehemalige Kolonialmacht sondern unterhält bis heute einen der beiden großen Militärstützpunkte im Tschad. Außerdem hat Frankreich den gegenwärtigen Diktators, Idriss Déby, bei seinem gewaltsamen Putsch 1990 an die Macht verholfen. In der EUFOR-Truppe stellt Paris 2100 der 3700 Männer. Schon kurz nach ihrer Niederlage hatten die tschadischen Warlords eine Warnung an die Entsenderstaaten der EUFOR geschickt, keine Soldaten in das zentralafrikanische Land zu entsenden, weil sie nicht an deren Überparteilichkeit glaubten.

Der Machthaber Débry gebe der Untersuchungskommission einen ganz anderen Sinn, sagt die mehrfach ausgezeichnete Menschenrechtlerin Moudeïna, »er versteht darunter eine Untersuchung des angeblichen Angriffs des Sudan auf den Tschad.« Das aber sei ein völlig anderer Auftrag. Außerdem habe Sarkozy ein schnelles Ergebnis verlangt, Déby dagegen spreche von drei Monaten. Und schließlich habe Déby fast ausschließlich eigene Anhänger als Mitglieder der Kommission bestimmt. »Außerdem sind wir wirklich nicht im Stadium von Erklärungen und Versprechungen«, empört sich die Anwältin. Es müsse sehr schnell konkret eingegriffen werden. »Die Bevölkerung ist dabei, zu sterben und zu ‚verschwinden.’«

Frankreich habe ohnehin öffentlich erklärt, dass es Déby unterstütze, weil er angeblich die legale Regierung des Tschad stelle. »Aber wie kann man einem Präsidenten, der sein Volk tötet, Legitimität zusprechen? Bei ständigen und massiven Menschenrechtsverletzungen kann man nicht von Legitimität sprechen.«

Unter diesen Umständen verlangen die Anwältinnen von der EUFOR, ihr Mandat zu überdenken und auszuweiten. Bisher habe allein Frankreichs die EU-Politik gegenüber Zentralafrika bestimmt, »wie in kolonialen Zeiten.« Deutschland und andere europäische Länder sollten ihre eigenen unabhängigen Analysen erstellen. »Jedermann weiß, dass Déby die Rebellen nicht ohne die französische Unterstützung hätte zurück schlagen können.« Die anderen europäischen Länder müssten Frankreich »zur Ordnung rufen.«

»Wir meinen, die EUFOR Mission kann nur erfolgreich sein, wenn sie dabei hilft, das Übel an der Wurzel zu packen«, sage Delphine Djiraibe, Gründerin eines tschadischen Verbandes zur Verteidigung der Menschenrechte. Es müsse ein politischer Prozess initiiert werden, wie ihn die tschadische Gesellschaft schon lange fordere. Die EU könne einen Dialog unter der Leitung eines allseits anerkannten Vermittlers anstrengen. »Es sollte ein umfassender Dialog aller beteiligten Aktuere der tschadischen Gesellschaft stattfinden – unter Einschluss der bewaffneten Rebellengruppen!« Diese müssten entwaffnet werden und die von der zivilen UN Mission MINURCAT ausgebildeten tschadische Polizei oder eine internationale Kraft müsse derweil für die innere Sicherheit sorgen. Milizen und sogenannte Selbstverteidigungseinheiten müssten aufgelöst und die große Zahl von zirkulierenden Waffen reduziert werden. »Auch die Armee ist keine normale Armee. Die tschadische ist die einzige weltweit, die mehr Offiziere zählt als Soldaten.«

In Gesprächen mit europäischen Abgeordneten sind die beiden Anwältinnen auf Zurückhaltung gestoßen. Man habe sie auf den von der EU vermittelten Vertrag vom August 2007 verwiesen. Darin hatten Regierung und Opposition des Tschad vereinbart, nach einer politischen Einigung zu suchen, um freie Wahlen zu ermöglichen. Auch während der jüngsten Krise hatte EU-Entwicklungskommissar Louis Michel betont, die einzigen Wege zur Macht seien der Dialog und der politische Kompromiss, wie im Vertrag vorgesehen. »Aber wir stellen uns die große Frage, wie dieser Vertrag umgesetzt werden soll, wenn fast die gesamte Opposition verschwunden ist oder verhaftet und ins Exil getrieben worden ist. Wir sagen nicht, der Vertrag ist obsolet geworden, aber es braucht einen ganz neuen politischen Rahmen.« Andere Europaabgeordnete hätten betont, das EUFOR-Mandat sei nicht zu verändern. »Dann wird Ihre Mission keinen Erfolg haben,« haben die beiden Tschaderinnen entgegengehalten. Nach nur einem Jahr werde es mehr Flüchtlinge und Vertrieben geben als heute. Weil die Sudanesen und Tschader in ihren Dörfern nicht sicher leben können.

Ohne Frieden werde es keine Perspektive geben für den Tschad. Davon sind die beiden ins Exil gezwungenen Menschenrechts-Aktivistinnen überzeugt. »Man weiß nicht, wann es einen weiteren Angriff der Rebellen geben wird.« Präsident Déby habe Bäume auf einer der großen geteerten Straßen in der Hauptstadt fällen lassen – um bessere Sicht für seine Soldaten zu schaffen. Und er lasse einen Graben rund um die Stadt ausheben…

Erschienen: Inter Press Service 14. März 2008

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